Gaspar van Wittel, gen. Vanvitelli
Amersfort 1653 – 1736 Rom
«Veduta di Tivoli, la vecchia cascata e la riva sinistra dell’Aniene»
Öl a/doubl. Lwd., 51 × 97,6 cm
Kunstauktion 22.09.2018 | Lot-Nr. 7
Provenienz:
Julius Boehler, München; Auktion Fischer, Luzern, 25.08.1932, Kat.-Nr. 167 (mit nicht übereinstimmendem Katalogtext); seither im selben Privatbesitz Innerschweiz.
Walther Bernt, Die Niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts, 4. Band, München 1962, Nr. 318, Abbildung; Giuliano Briganti, Gaspar van Wittel e l’origine della veduta settecentesca, Roma 1966, Nr. 158, Abbildung; Walther Bernt, Die Niederländischen Maler und Zeichner des 17. Jahrhunderts, 3. Band, München 1980, Nr. 1499, Abbildung; Giuliano Briganti, Gaspar van Wittel, nuova edizione a cura di Laura Laureati e Ludovica Trezzani, Milano 1996, Nr. 263, Abbildung.
Laura Laureati (8. Juni 2018).
Der in Amersfoort bei Utrecht geborene Gaspar van Wittel (1653 –1736) war Schüler von Matthias Withoos, Stillleben- und Architekturmaler. Er wurzelt in der Tradition holländischer Stadtmaler wie Gerrit Berckheyde oder Jan van der Heyden. 1674 liess er sich in Rom nieder, wo damals Papst Clemens X. den Tiber von Perugia bis zum Tyrrhenischen Meer schiffbar machen wollte. Van Wittel, der seinen Namen in Vanvitelli italianisiert hatte, sollte das Ingenieurprojekt illustrieren. Seine erste erhaltene römische Vedute ist 1681 datiert. Im 17. Jahrhundert gab es in Rom bei Pilgern und Reisenden eine starke Nachfrage nach Ansichten der wichtigen Sehenswürdigkeiten, die bis dahin durch Kupferstiche befriedigt worden war. Indem er als einer der ersten Künstler in Italien Veduten in Öl ausführte, wurde van Wittel zum bevorzugten Maler der römischen Adelsfamilien in diesem Sujet. Seine lichtdurchfluteten Landschaftsszenerien mit ihren hellen Farbtönen hatten großen Einfluss auf Maler wie Pannini, Carlevarijs, Canaletto oder Guardi.
Van Wittel schuf eine große Zahl topographisch präziser Ansichten Roms. Gerne suchte er, neben Reisen nach Florenz, Bologna, Padua, Venedig und vor allem Neapel, wo er länger lebte, auch die nähere und weitere Umgebung der Ewigen Stadt auf, von Tivoli bis Frascati, von Grottaferrata bis Nettuno, von Ronciglione bis Caprarola. Dabei entstanden zahlreiche Zeichnungen und Bilder. So auch die vorliegende Ansicht, die den spektakulären Wasserfall des Aniene in Tivoli zeigt, bevor dieser Nebenfluss des Tiber 1834 umgeleitet wurde. Das Motiv hat er in einer ganzen Reihe von Werken aus verschiedenen Blickwinkeln festgehalten. In unserem Bild war der Standort des Künstlers die Brücke von San Martino. Links erkennt man an der Via Valeria die kleine Kirche Santa Maria del Ponte mit dem Glockenturm. Staffagefiguren und Tiere beleben die Szene, darunter Prälaten, die das Naturschauspiel bewundern, ein Bauer mit einem Esel, Frauen und Männer. Auf der rechten, ebenfalls stark bevölkerten Seite führt eine Strasse nach dem erhöht gelegenen Stadtzentrum. Da erblickt man einen Einspänner, in dem ein Paar spazieren fährt, Wäscherinnen, vornehme und einfache Menschen bei der Unterhaltung, mit Sonnenschirm flanierend, Schatten suchend im Inneren eines bescheidenen Hauses.
Tivoli, rund 30 Kilometer von Rom entfernt, gewann seit dem Ausgang des Mittelalters wegen seiner prachtvollen Lage und seinen Sehenswürdigkeiten, besonders den pittoresken Ruinen, sowohl bei Reisenden als auch bei Malern, Zeichnern und Stechern immer mehr an Attraktivität. Berühmtheit erlangte vor allem Pieter Breugels Stich um 1555/56, der, freier inszeniert, unverkennbar denselben Ort wie van Wittels Ansicht zeigt.
Das vorliegende Bild wurde 1962 von Walther Bernt als ein Werk von Gaspar van Wittel veröffentlicht. Der italienische Gelehrte Giuliano Briganti publizierte 1966 das Pendant dazu: “Veduta di Tivoli e del tempio di Vesta“ (Briganti 1996, Nr. 243, Abb.).
1996, als die von Laura Laureati und Ludovica Trezzani neu herausgegebene Monografie über Gaspar van Wittel erschien, tauchte bei Bonhams in London eine modifizierte kleinere Version der „Veduta di Tivoli, la vecchia cascata e la riva sinistra dell’Aniene“ auf (Öl auf Lwd., 26,9x45 cm, Lot Nr. 136).
Nach Laura Laureati sind heute rund dreissig verschiedene Tivoli-Ansichten von Gaspar van Wittel aus der Zeit zwischen 1691 und 1723 bekannt.