Giovanni Segantini

Arco 1858 – 1899 Schafberg ob Pontresina

«Ritratto della signora Maria Paredi» – um 1886
Unten rechts in Ligatur monogrammiert GS.
Öl a/Lwd., über Karton, 33 × 24 cm

Zuschlag CHF 35'000

Kunstauktion 22.09.2018 | Lot-Nr. 26

Provenienz:
Erben Schmid, Genf; Sammlung Schmid, St. Moritz (seit 1933); Privatsammlung Nordwestschweiz.

Ausstellungen:
St. Gallen, Kunstmuseum, Giovanni Segantini, 1858-1899, 07.07.-30.09.1956, Kat. Nr. 54; Wien, Museum Moderner Kunst, Museum des 20. Jahrhunderts, Giovanni Segantini, 1858-1899, 10.07-23.08.1981; Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Giovanni Segantini, 1858-1899, 03.09.-04.10.1981, Kat. Nr. 60.

Literatur:

Maria Cristina Gozzli, L'opera completa di Segantini, Milano 1973, Nr. 257; Annie-Paule Quinsac, Segantini - Catalogo generale, Milano 1982, Bd. 1, S. 132–133, Nr. 173 (als „Parodi“), ganzseitige Abbildung.


Das Bild trägt rückseitig die Aufschrift: „Maria Paredi / di Scarenna / 1886“.
Giovanni Segantini gehört zu der Malergeneration, die nicht wie die Impressionisten die „vie moderne“ zum Thema ihrer Kunst machte, sondern sich aus den von Urbanisierung und Industrialisierung geprägten Zentren zurückzog. Ihre Sehnsucht galt der Ursprünglichkeit von Land und Leuten: Während Cézanne in der Provence malte und Gauguin sich in Pont Aven vom bretonischen Volksglauben faszinieren liess, bevor er später endgültig in die Südsee reiste, liess Segantini die Metropole Mailand, seine Ausbildungsstätte, hinter sich: Er begab sich auf seinen inzwischen legendären Weg Richtung Norden, den Höhen und dem Licht der Bergwelt entgegen.
Nach fruchtbaren Jahren im lombardischen Hügelland der Brianza hielt sich der Künstler 1885/86 in Caglio in der Provinz Como auf. Das vorliegende Gemälde stellt laut alter rückseitiger Aufschrift eine Frau namens Maria Paredi aus dem Nachbarort Scarenna (Gemeinde Asso) dar.
Es handelt sich indes nicht um ein Porträt im traditionellen, repräsentativen Sinn, vielmehr haben wir es mit einer Physiognomie- und Charakterstudie zu tun, in der Segantini mit Beleuchtungseffekten und Farbauftrag experimentiert. Das Brustbild der Frau erscheint in engem Ausschnitt, der Kopf ist vom oberen Bildrand überschnitten. Ihr Haar fällt einseitig herab, wohingegen die andere Gesichtshälfte mit dem Ohrschmuck frei bleibt. Der Blick aus den verschatteten Augen ist intensiv, fast stechend. Eine zupackende Malweise betont den expressiven Ausdruck: Der Pinsel zieht tiefe Spuren in die dicke Farbpaste, die – im Sinne des Realismus – als Materie wirksam wird. Licht- und Farbflecken akzentuieren die erdfarbene Palette: Weiss in Gesicht und Gewand, Gelb an der Schläfe, Rot auf der Wange.
Der realistische Zugriff und der „struppige“ Pinselduktus lassen an die gleichzeitigen malerischen Recherchen von Vincent van Gogh denken. Im Fall von Segantini weist hier der Wille zur Strukturierung der Bildoberfläche durch strähnige Bahnen voraus auf seinen späteren Stil, den Divisionismus.
Das Werk wurde 1956 in der ersten grossen Schweizer Segantini-Ausstellung im Kunstmuseum St. Gallen gezeigt und wird in den Werkverzeichnissen von Gozzoli 1973 und Quinsac 1982 ins Jahr 1886 bzw. „um 1886“ datiert.