Hans Emmenegger
Küssnacht 1866–1940 Luzern
«Letzte Strahlen der Abendsonne im Fichtenwald»
Verso auf dem Karton die Wvz.-Nr. 259 im Rechteck, in Bleistift bezeichnet Edouard F.
Ölfarben a/Malkarton, 22,8 × 11 cm
Kunstauktion 24.09.2016 | Lot-Nr. 57
Provenienz:
Aus einer städtischen Kunstsammlung.
Handschriftliches Werkverzeichnis des Künstlers Nr. 259 ("Pochade, Letzte Strahlen der Abendsonne im Fichtenwald. Gewöhnlicher Karton, Edouard-Farbe.").
Paul C. Gloggner nimmt das vorliegende Bild in das Inventar für das Werkverzeichnis der Ölgemälde von Hans Emmenegger auf.
Waldbilder, oder vielleicht besser: „Waldinterieurs“, gehörten zu den bevorzugten Motiven von Hans Emmenegger. Sie bilden eine umfangreiche und bedeutende Werkgruppe in seinem Schaffen. Dabei interessierten den Maler nicht wie seinen grossen Luzerner Vorgänger Robert Zünd die zahllosen Details der Vegetation – die Struktur von Baumrinden oder unterschiedlich geartetes Blattwerk –, sondern die grossen Formen der Stämme, wie sie auf dem Boden stehen und durch Lichteinfälle einerseits ihre räumliche Plastizität erhalten und anderseits selbst Schlagschatten in den Raum werfen.
Obgleich sie sich motivisch zwanglos in die Reihe der Waldbilder einfügt, handelt es sich bei der vorliegenden kleinformatigen Darstellung um ein höchst ungewöhnliches Gemälde des Künstlers. Er selbst nennt es in seinem Werkverzeichnis eine „pochade“, französisch für „Skizze“. Solche Arbeiten, die direkt vor dem Motiv und in kurzer Zeit entstanden sind, finden sich im Schaffen Emmeneggers – aus unbekannten Gründen – nur sehr selten; ein einziges direkt vergleichbares Beispiel ist bisher publiziert worden (Herrlich öde, einsame Gegend. Hans Emmenegger, ein Maler zwischen Böcklin und Hodler, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Luzern 1987, Nr. 42: „Sonnenschein im Walde“, 1915, 23 x 15 cm).
In extremem Hochformat und ganz eng gefasstem Ausschnitt zeigt das Bild eine Gruppe schlanker Stämme, die weitgehend senkrecht und parallel verlaufen, sich nur vereinzelt überschneidend. „Letzte Strahlen der Abendsonne“, so beschrieben in Emmeneggers Titel, tauchen ein keilförmiges Bodenstück und links davon einen einzigen Stamm in oranges Licht, während bei anderen Bäumen nur gerade die Ränder aufscheinen (oder sind es ganz dünne „Dürrständer“?) und alle übrigen ganz im Braun oder dunklen Grün des Waldschattens verbleiben.
Wie das einfallende letzte Licht geht der Blick des Malers, aus leicht zusammengekniffenen Augen, ins dunkle Waldesinnere: Wenn so die Unterscheidung von Positiv- (Stämme) und Negativformen (Zwischenräume) schwierig wird, erhält das Bild plötzlich eine abstrakte Qualität. Sie zeigt, wie konsequent Hans Emmenegger seine Idee des „Impressionismus“ umgesetzt hat: nicht das zu zeigen, was er vom Motiv weiss, sondern nur das, was er tatsächlich sieht. Entstanden ist, in ungemein spontaner Malerei, ein kleines Meisterwerk, das die ganze Frische und Intensität des Sinneseindrucks widerspiegelt.