Robert Zünd

Luzern 1827–1909 Luzern

«Die Mühle von Rathausen»
Unten links signiert R. Zünd (Nachlass-Signatur).
Öl a/Lwd., 65 × 85 cm

Zuschlag CHF 160'000

Kunstauktion 24.09.2016 | Lot-Nr. 26

Provenienz:
Privatbesitz Westschweiz.

Gutachten:
Das vorliegende Gemälde ist im Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, Zürich, unter der Nummer 1604010001 als eigenhändige Arbeit von Robert Zünd inventarisiert.

Das Gemälde ist einwandfrei erhalten und die originale Leinwand auf dem alten Chassis befestigt.

„Das beste ist halt doch, nach der Natur zu malen“, hiess die Devise von Robert Zünd, dem Schweizer Landschaftsmaler par excellence im 19. Jahrhundert. Er fand seine Motive in der friedlich-idyllischen Gegend der Voralpen und des Mittellandes, namentlich in der Luzerner Landschaft. Naturausschnitte, die ihn besonders faszinierten, pflegte er in mehreren Varianten festzuhalten. Dazu gehört auch die „Mühle von Rathausen“, eine Anlage mit jahrhundertealter Vergangenheit. Im Jahre 1266 wurde dem Frauenkloster Rathausen von Abt Berchtold von Murbach das Recht verschrieben, den Reusslauf mit Mühlen zu nutzen. Nachweisbar stand die erste Mühle 1536 nicht mehr. Damals erhielten nämlich die Nonnen vom Luzerner Rat die Konzession für den Wiederaufbau, der aber erst nach 1572 erfolgte. Die Verbindung von Mühle und Sägerei war in jener Zeit üblich (vgl. A.-M. Dubler, Müller und Mühlen im alten Staate Luzern, Luzern 1978). In der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 1881 brannte das Gebäude nieder. Auf dem Areal entstand 1894/95 ein Elektrizitätswerk.
Das vorliegende Gemälde gehört in die Reihe jener Werke, welche die Mühle von Westen nach Osten zeigen, in anderen Versionen wählte Zünd die Blickrichtung von Osten nach Westen. Ein Vergleich der verschiedenen Fassungen macht deutlich, dass der Maler auch bei den auf den ersten Blick identischen Darstellungen nicht nur den Standort wechselte, sondern auch jedes Mal Staffage, Lichteinfall und Wolkengebilde differenzierte.
Die Bildfindung vereinigt mehrere seiner Lieblingsmotive: Bäume, Holzhaus, Wasser. Mensch und Tier spielen eine untergeordnete Rolle. Zünd belebte die Szene nicht mit Spaziergängern aus der nahen Stadt, sondern mit einer Bäuerin, die von einem Mädchen begleitet über einen Holzsteg geht, mit einem in der Sägerei arbeitenden Mann, zwei Kindern sowie mit Hühnern, einem Hahn, Tauben und schwimmenden Enten. Landleben pur, zeitloser, idyllischer Frieden, unberührt vom technischen Fortschritt der Gründerzeit. Mensch und Tier integrierte Zünd so selbstverständlich in die Natur, dass sie Teil davon werden. Eigentliche Genreszenen interessierten ihn nicht. Er verstand es, die besondere Atmosphäre des Ortes und der Stunde einzufangen. Sonnenlicht fällt auf die Holzbauten, auf Bäume und die am Boden liegenden Baumstämme und Bretterbeigen, auf das Gebüsch und das Wasser, es treibt überall sein Spiel, wird reflektiert, webt über dem Ganzen und verleiht dem Bild im Zusammenwirken mit den Schatten malerische Reize. Der Betrachter blickt aus dem Schattenbereich ins blendende Licht. Zünd liebte es, einzelne Bildzonen durch verschiedene Lichtstärken voneinander abzusetzen. Neben summarisch erfassten Gelände- und Pflanzenpartien verraten mit photographischer Präzision gemalte Blätter und Grashalme sein minutiöses Detailstudium. So entspricht die „Mühle von Rathausen“ Zünds ästhetischer Idealvorstellung von Ordnung und Harmonie, ohne sich von der Wirklichkeit zu entfernen, was Gottfried Keller in seinem “Bescheidenen Kunstreischen“ wie folgt beschreibt: Jedes Werk zeige ein „wirklich klares und rundes Motiv, einem feinen Gedankenbilde, einem Gedicht gleichend und doch draussen auf dem Boden gewachsen bis zum letzten Halm“.