Hendrick Heerschop

Haarlem 1626 – 1690 Haarlem

«Hagar und der Engel» – um 1670
Öl a/Holztafel, 46 × 41 cm

Zuschlag CHF 5'000

Kunstauktion 19.09.2015 | Lot-Nr. 3

Provenienz:
Privatbesitz Luzern.


Diese hervorragend erhaltene, ausgesprochen reizvolle Tafel zeigt die ägyptische Sklavin Hagar, die sich in die Wildnis geflüchtet hat. Ein Engel erscheint ihr, überzeugt sie, zu ihren Herrn Abraham und Sara zurückzukehren, und prophezeit ihr die Geburt des Sohnes Ismael, der zum Stammvater vieler Völker werden würde (Gen. 16,10-11).
Der sprichwörtliche Realismus der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts offenbart sich nicht nur in der minuziösen und technisch brillanten Wiedergabe gegenständlicher Einzelheiten – man beachte etwa die wirkungsvolle Plastizität und Stofflichkeit der grossblättrigen Pflanze im Vordergrund, der ebendort liegenden Wasserflasche oder der teilweise vom Stamm abgefallenen Baumrinde. Auch in den Figuren, die weit entfernt sind von idealisierten Stereotypen, manifestiert sich der „realistische Blick“: Hier steht in überzeugender körperlicher Präsenz ein blonder holländischer Jüngling und wendet sich an eine ebenso lebensecht auftretende junge Frau. Wesentlich zur Lebendigkeit der Darstellung trägt die ungemein sichere und flüssige Malweise bei, die sich namentlich in den bewegt modellierten Falten der hellfarbigen Gewänder zeigt.
Die Geschichte von Hagar gehört zu den zentralen alttestamentlichen Stoffen in der holländischen Kunst des 17. Jahrhunderts. Zahlreiche Historienmaler, unter ihnen Pieter Lastman, Rembrandt und insbesondere Salomon de Bray, haben sie behandelt, wobei meist die Szene der Vertreibung von Hagar und Ismael durch Abraham zur Darstellung gelangte. Die aussergewöhnlich hohe Qualität des vorliegenden Bildes und seine stilistische Nähe zu de Bray führten in der Vergangenheit zu einer Zuschreibung an diesen bedeutenden Haarlemer Meister. Erst die kürzliche Bestimmung durch Fred G. Meier, Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag, hat die plausible Zuweisung an den vielseitigen, ebenfalls in Haarlem tätigen Maler Hendrick Heerschop erbracht. Das kleine, um 1670 entstandene Gemälde darf somit als Neuentdeckung für diesen Künstler und als eines seiner attraktivsten Werke gelten.