Hans Emmenegger

Küssnacht 1866–1940 Luzern

«Haus, von oben gesehen II» – 1918
Unten rechts in Ligatur monogrammiert und datiert HE 15-7-18. Verso auf dem Chassis in Bleistift bezeichnet Haus von oben gesehen / 2. Studie. Auf dem Leinwandfalz die Wvz-Nr. 256 (St. Das Di G.-Haus vom 3. Stock geseh).
Öl a/Lwd., 28,5 × 28,5 cm

Zuschlag CHF 71'000

Kunstauktion 21.09.2013 | Lot-Nr. 60

Provenienz:
Privatbesitz Luzern.

Ausstellungen:
Luzern, Kunstmuseum, „Herrlich öde, einsame Gegend“ Hans Emmenegger - ein Maler zwischen Böcklin und Hodler, 1987/88, Kat.-Nr. 64.

Literatur:

Dr. Paul Hilber, Hans Emmenegger 1866-1940, Luzern 1942, vgl. s/w-Abb.
Luzern, Kunstmuseum, „Herrlich öde, einsame Gegend“ Hans Emmenegger - ein Maler zwischen Böcklin und Hodler, 1987/88, Kat.-Nr. 64, S. 128 abgebildet, ganzseitig in Farbe, S. 170 s/w-Abb.
Roman Kurzmeyer und Friedemann Malsch, Beispiel Schweiz, Entgrenzungen und Passagen als Kunst, Kunstmuseum Liechtenstein; Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2011, S. 178, Farbabb. unten.
Paul C. Gloggner nimmt das vorliegende Bild in das Inventar für das Werkverzeichnis der Ölgemälde von Hans Emmenegger auf.


Ein kleines, aber in seiner ebenso überraschenden wie einprägsamen Wirkung fast monumentales Bild! Dargestellt ist der nächtliche Blick auf das Haus Theilinggasse 2 beim Sternenplatz in Luzern, welches noch heute nahezu unverändert existiert.
Im Unterschied zu seinen Freunden Cuno Amiet und Giovanni Giacometti hat sich Hans Emmenegger nicht als „Koloristen“ verstanden. Er war vielmehr ein konzeptueller Künstler, der in seiner Malerei Wahrnehmungsphänomene, die von Licht- und Schattenwirkungen und Bewegungsmomenten ausgehen, untersuchte. Zwar war er ausdrücklich darauf bedacht, nur das darzustellen, was das menschliche Auge zu erfassen vermag, doch machte er sich dabei auch Erkenntnisse und Effekte der Fotografie zunutze.
So bilden hier das Quadratformat und der schräge Blickwinkel die Ausgangslage für eine sachliche, aber äusserst spannungsreiche Darstellung in eng gefasstem, horizontlosem Gesichtsfeld. Das Gebäude ist von erhöhtem Standort gegenüber gesehen, lediglich ein Ausschnitt seiner Längs- und ein kleiner Teil der rechten Seitenfassade kommen ins Bild. Indem die verdeckte Strassenbeleuchtung breite Lichtbahnen auf die Hauswände wirft, betont sie deren Übereckstellung und die vertikale Verkürzung ihrer Kanten gegen die Strasse hin. Türen und Fenster – manche sind dunkel, andere mit Läden verschlossen, ein einziges ist hell erleuchtet – vermitteln eine konstruktive Note, wie überhaupt die gesamte Komposition durch überlegt verteilte Hell-Dunkel-Kontraste eine fast abstrakte Flächengeometrie erhält. Die Kühnheit des Blicks, die Vereinfachung von Form und Farbe und der zurückhaltende, sensibel die Lichtbewegung nachzeichnende Malduktus machen dieses Gemälde zu einem Meisterwerk von ganz moderner Anmutung.
Gemäss eigenem Werkverzeichnis hatte Emmenegger 1917/18 insgesamt fünf Bilder mit Motiven um den Luzerner Sternenplatz in „V.V.“ (=vertikaler Verkürzung) in Arbeit (vgl. oben zitierte Literatur: S. 69f., Kat.-Nrn. 62–64). Von den drei Fassungen des „Hauses, von oben gesehen“ ist allerdings zur Zeit nur die hier vorliegende zweite Version nachweisbar. Diese sehr speziellen nächtlichen Stadtbilder sind wohl Emmeneggers einzige architektonische Studien in Vertikalperspektive und gehören somit zu den grössten Raritäten in seinem Werk.