Hans Schärer

Bern 1927–1997 St. Niklausen

«Madonna» – 1976
Oben rechts signiert und datiert, eingeritzt in die frische Farbe, Schärer 76.
Mischtechnik a/Hartfasertafel, 90 × 80 cm (97 × 87 × 5 cm)

Zuschlag CHF 50'000

Kunstauktion 21.09.2013 | Lot-Nr. 142

Provenienz:
Kunstsammlung einer Stiftung, Schweiz.

Ausstellungen:
Aarau, Kunsthaus, Hans Schärer. Malereien und Zeichnungen von 1950 bis 1982, 1982 (Etikett verso). Luzern, Kunstmuseum, Hans Schärer Madonnen, 2001. New York, Gladstone Gallery, The Spirit Level, curated by Ugo Rondinone, 24. März bis 21. April 2012.

Literatur:

Das Werk wird unter der Nr. 76_024_MM in das sich in Arbeit befindende Werkverzeichnis Hans Schärer aufgenommen.


Die Werkgruppe der «Madonnen», die sich ab etwa 1965 in der Nachfolge schwerer anthropomorph-abstrakter Mörtelbilder entwickelten, bildet den weltweit bekannten Schwerpunkt in Hans Schärers der Art Brut nahe stehendem Schaffen. Die meist weiblichen Halbfiguren von archaisch reduzierter Körperlichkeit symbolisieren die Nähe von Schrecken und Schönheit der menschlichen Existenz. So sehr sich die Figuren ähneln und zu wiederholen scheinen – stets frontal gezeigt und oftmals mit Augen, Zähnen und Körperelementen aus Garten- und Strandfunden –, so stellt doch jedes Werk ein Individuum dar, ein Wesen, das in seiner unmittelbaren, direkten Wirkung in das Leben des Bildbesitzers und Betrachters eingreift. Manchmal ist der Übergang von der Göttinnen- und Mutterfigur zur geschlechtslosen, sich fast auflösenden Mumie fliessend, und im Kontext der noch nicht völlig erschlossenen Motivgruppe innerhalb des zur Zeit in Entstehung befindlichen Werkverzeichnisses stellt das hier angebotene Werk eine Ausnahme dar: Der kreisrunde, konstruktivistisch ausgeformte Kopf aus geschnittenem, appliziertem Kartonmaterial taucht im vielfältigen Werk des Künstlers in dieser Art nicht noch einmal auf. So unterschätzt das gesamte vielgestaltige Werk Hans Schärers derzeit immer noch ist: Die «Madonnen», die ihre materielle Schwere und existenzielle Direktheit bei längerem und stets überraschendem Betrachten in zuweilen heitere Leichtigkeit zu wandeln vermögen, entfalten ihre Wirkung in letzter Zeit wieder vermehrt in grossen internationalen Ausstellungen. Das vorliegende Werk war 2012 in Ugo Rondinones Ausstellung «The Spirit Level» in New York zu sehen, und die Biennale di Venezia zeigt 2013 gleich fünf sehr abwechslungsreiche Madonnen in Massimiliano Gionis Show «Il Palazzo Enciclopedico».