Hans Schärer

Bern 1927–1997 St. Niklausen

«Ohne Titel (Madonna)» – 1977
Oben rechts signiert und datiert Schärer 77 (in die frische Farbe eingeritzt).
Öl, Mörtel, Kies, Nägel und Graphitstift auf Hartfaserplatte, integraler Holzleistenrahmen, 100 × 90 cm

Zuschlag CHF 50'000

Kunstauktion 22.09.2018 | Lot-Nr. 125

Provenienz:
Direkt vom Künstler an den jetzigen Besitzer (Luzern).

Ausstellungen:
Biel, Galerie 57, Silvia Steiner, Hans Schärer, Madonnen und Arbeiten auf Papier, 01.-29.09.1979; Aarau, Kunsthaus, Hans Schärer, Malereien und Zeichnungen von 1950 bis 1982, 25.09.-01.11.1982.

Literatur:

Werkverzeichnis Hans Schärer, Nr. 77_042_MM (online).


Ausgesprochen charaktervolle „Madonna“ aus der mittleren Zeit der mehr als 120 Bilder umfassenden Werkgruppe. Der Schleier hat hier die Form einer strahlenden Aura, die mit floral anmutenden Elementen ein Muster aufgreift, das Hans Schärer in zahlreichen früheren Papierarbeiten verwendete. Auf der Stirn ist ein Kreuz (wie eine Art Wundmal), das an eine Krankenschwester denken lässt, eine Helferin oder Mahnerin, eine sorgetragende, mild strafende gestrenge Frau. Weibliche Attribute treten jedoch gänzlich in den Hintergrund: Der Leib ist nicht prall und körperbetont ausgeführt, sondern eng eingebunden in einer kalkigen Umwicklung, die an Verbandsstoff erinnert - ein Motiv, das in der gesamten Reihe der Madonnen auf Leinen und Papier oftmals parallel zu den weiblichen Figuren erscheint. Den Oberkörper einfassend liegt eine gekreuzte Verschnürung über der Brust, die in anderen Werken zuweilen auch auf dem Gesicht und speziell auf dem Mund zu finden ist.
Die prägnanten Augen - ein sämtliche figürlichen Werke des Künstlers verbindendes Element - fallen bei dieser ‚Madonna des strengen Blicks‘ besonders auf; zusammen mit dem Mund deuten sie an, dass hinter der eng gewickelten Erscheinung eine heiss temperierte Zone oder Welt darauf lauern könnte, aus dem Bild ins Diesseits zu gelangen. Die Schmalheit von Augen und Mund sollte in den Folgejahren zu einem werkgruppenübergreifenden Motiv des Künstlers werden.
Diese Madonna fesselt den Blick des Betrachters, sie benötigt einen exponierten Platz, um aus ihrer Bestimmung heraus über ihr neues Umfeld zu wachen.